Schleswig-Holstein: Neuer Koalitionsvertrag schraubt Open-Source-Ziele zurück

Als einziges Bundesland wollte Schleswig-Holstein komplett auf freie Software umsteigen. Der neue Koalitionsvertrag ruft dieses Ziel jedoch nicht mehr aus.

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(Bild: Shutterstock)

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Die neue Regierungskoalition in Schleswig-Holstein setzt sich beim Thema Open-Source-Software weniger ehrgeizige Ziele als die vorherige Koalition. In ihrem Koalitionsvertrag formulieren CDU und Grüne nicht mehr den Plan, die Landesverwaltung vollständig auf Open Source umzustellen. Im Jahr 2017 hatte die damalige schwarz-grün-gelbe Koalition hingegen noch geschrieben: "Eine vollständige Ablösung ist das langfristige Ziel." Damit hatte sich Schleswig-Holstein deutlich von den anderen Bundesländern abgehoben.

Im neuen Koalitionsvertrag, der am Montag von CDU und Grünen bestätigt wurde, formulieren die Parteien unverbindlicher: Man wolle Open-Source-Lösungen "unter Beachtung von Sicherheit, Verfügbarkeit und Wirtschaftlichkeit nutzen". Voraussetzung für den flächendeckenden Einsatz sei, "dass die gewohnten Funktionalitäten mindestens in gleicher Qualität und kompatibel mit anderen Verfahren verlässlich funktionieren sowie verfügbar sind [...]". Außerdem werde man "den besonderen Belangen einzelner Bereiche beim Einsatz von international verwendeter Standardsoftware" Rechnung tragen.

Mit dem Antritt der neuen Landesregierung wechselt außerdem die Zuständigkeit für das Ressort Digitalisierung: Dieses gehört künftig nicht mehr zum grün geführten Umweltministerium, sondern zur Staatskanzlei von Ministerpräsident Daniel Günther (CDU). In der Vorgängerkoalition hatten sich in erster Linie die Grünen für den Wechsel zu Open Source stark gemacht.

Laut der Kieler Staatskanzlei soll sich jedoch in der Praxis nichts ändern. Man plane die Ablösung proprietärer Software durch Open Source weiterhin so wie vom Landtag beschlossen und von der Vorgängerregierung dargestellt, sagte ein Regierungssprecher. Die Vorgängerregierung hatte 2020 in einem Bericht (PDF-Datei) bestätigt, dass sie langfristig komplett umsteigen will.

Es gebe auch keine Änderung an dem Plan, bis Ende 2025 "einen Großteil der bisher verwendeten, proprietären Softwarelösungen im Bürokommunikationsbereich durch souverän betriebene und frei lizensierte Varianten abzulösen", sagte der Sprecher. Geplant ist der Umstieg von Microsoft Office auf LibreOffice sowie die browserbasierte Phoenix-Suite von Dataport.

Auch den Umstieg von Windows auf Linux will die neue Regierung weiter vorantreiben. Ein Linux-Desktop für die Landesverwaltung werde bis zum zweiten Quartal 2023 getestet und pilotiert, sagte der Regierungssprecher. Eine Vergabe von Linux-Dienstleistungen sei für Mitte 2023 geplant.

Die Free Software Foundation Europe (FSFE) vermisst im neuen Koalitionsvertrag ein Bekenntnis zum Wechsel auf Open Source, wenn ohnehin eine Migration anstehe. Gleichzeitig schaffe der Vertrag "neue Schlupflöcher" für das Festhalten an proprietärer Software, sagte Alexander Sander, "Senior Policy Consultant" bei der FSFE, gegenüber c't.

"Wir erwarten von der neuen Landesregierung, dass sie den erfolgreich eingeschlagenen Weg weiter fortsetzt und nicht von den Schlupflöchern Gebrauch macht", forderte Sander. Die Modernisierung der öffentlichen digitalen Infrastruktur könne nur über den Einsatz freier Software gelingen. "Ich kann mir daher nur schwer vorstellen, dass die neue Landesregierung von diesem Weg abkommen will."

(cwo)