Der Waliser James Howells wirft seine Festplatte weg – und damit ein Bitcoin-Vermögen im Wert von 130 Millionen Dollar. Es folgt eine mühsame Suche

Zwei Financiers aus der Schweiz und Deutschland unterstützen Howells auf seiner Suche nach dem verlorenen Schatz – doch ein wichtiger Player stellt sich quer.

Marcel Gyr
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James Howells, der verhinderte Bitcoin-Millionär.

James Howells, der verhinderte Bitcoin-Millionär.

Rex / Shutterstock

Jeder Tag, an dem der Kurs des Bitcoins in die Höhe schnellt, ist für James Howells ein schlechter Tag. Und jeder Tag, an dem der Wert der Kryptowährung nachgibt, verschafft dem 37-jährigen Waliser etwas Entspannung. Am schlimmsten war es vor einem Jahr: Am 10. November 2021 erreichte der Bitcoin im Tagesverlauf den bisherigen Höchststand von 68 763 Dollar. Die 8000 Bitcoins, die James Howells vor 13 Jahren zu Hause an seinem Laptop selber geschürft hatte, entsprachen somit einem theoretischen Wert von rund 550 Millionen Dollar. Gekostet hat ihn das sogenannte Schürfen – ausser einer Unmenge Strom – so gut wie nichts.

Theoretisch ist Howells’ Vermögen deshalb, weil der zerstreute IT-Experte bei einer Aufräumaktion die externe Festplatte, auf der seine Bitcoin-Wallet gespeichert ist, schon längst entsorgt hat. Zusammen mit anderem Gerümpel hatte er sie einst in einen Abfallsack gesteckt. Damit fuhr er mit seinem Auto zur lokalen Mülldeponie in Newport im Süden von Wales, wo er alles auf den Abfallberg warf.

Wie sich später herausstellen sollte, hatte Howells die Festplatte in der Grösse eines Mobiltelefons mit einer zweiten verwechselt, auf der er keine Daten gespeichert hatte.

Bis er sein millionenteures Malheur bemerkte, vergingen einige Jahre. Denn nach seiner anfänglichen Neugier für die damals neue Kryptowährung hatte er das Interesse daran verloren. Nach der Schürfung seiner Bitcoins im Jahr 2009 dümpelte der Kurs vor sich hin, der Buchgewinn für die 8000 Stück der digitalen Währung bewegte sich im Bereich von einigen wenigen Dollar.

Wertsteigerung um den Faktor 80

Das sollte sich 2013 schlagartig ändern. Im Laufe jenes Jahres verteuerte sich ein Bitcoin um den Faktor 80 und kletterte am Ende erstmals über die Marke von 1000 Dollar. Erst jetzt erinnerte sich Howells wieder an seinen verborgenen Schatz – und merkte alsbald, dass sein Bitcoin-Vermögen wohl versehentlich auf der Mülldeponie gelandet war. Ohne die Bitcoin-Wallet, eine Art digitaler Brieftasche, ist es unmöglich, sich Zugriff auf das Konto zu verschaffen.

Aufstieg und Fall des Bitcoin seit 2010

Wert in Dollar

«Das geht ganz schön an die Nieren», erzählt Karl Wendekorn, «und das jeden Tag von neuem.» Wendekorn ist ein deutscher Investor, der spezialisiert ist auf risikoreiche Investments. Zusammen mit seinem Geschäftspartner, dem Schweizer Hanspeter Jaberg, hat er 2013 von Howells’ Malheur gehört. Seither begleiten die beiden den Waliser auf seiner Suche nach dem verlorenen Schatz. «Unsere Rolle sehe ich nicht in erster Linie als Financiers, ich würde uns in diesem Fall eher als Psychologen und Coachs bezeichnen.»

Sie versuchen, den Ärger Howells’ in Grenzen zu halten und in positive Energie umzuwandeln. Inzwischen hat sich das Projekt, die entsorgte Festplatte aus der Mülldeponie zu fischen, zu einem eigenständigen Kleinunternehmen mit allem Drum und Dran entwickelt: Businessplan, Personalrekrutierung, Risikoabwägung.

Auf dieser Mülldeponie in Newport im Süden von Wales vermutet Howells sein Bitcoin-Vermögen.

Auf dieser Mülldeponie in Newport im Süden von Wales vermutet Howells sein Bitcoin-Vermögen.

Matthew Horwood / Getty

Künstliche Intelligenz und Roboterhunde

In diesem Jahr haben die drei ein Team mit acht Experten aus aller Welt zusammengestellt. Auch mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz sollen die 110 000 Tonnen Abfall auf der Mülldeponie von Newport systematisch nach der versehentlich entsorgten Festplatte durchforstet werden. Mit sogenannten Roboterhunden, die auf dem Areal zirkulieren, soll die Suchaktion Tag und Nacht überwacht werden. Denn die Sorge ist gross, dass sich am Schluss Fremde die Festplatte mit dem verborgenen Schatz unter die Nägel reissen.

«Im Prinzip wissen wir genau, in welchem Abschnitt und auch in welcher Schicht der Mülldeponie wir suchen müssen», sagt Karl Wendekorn. Falls sich die städtischen Angestellten an den Entsorgungsplan gehalten haben, kann der Bereich anhand des Datums von Howells’ verhängnisvoller Aufräumaktion eingegrenzt werden. «Dieses Wissen haben genau drei Personen: Howells, mein Geschäftspartner Jaberg und ich», ergänzt der deutsche Financier.

Doch bis anhin zeigen sich die Stadtbehörden von Newport wenig kooperativ. Sie machen geltend, eine derartige Suchaktion sei aus Gründen des Umweltschutzes nicht zu verantworten – offenbar wird befürchtet, dass giftige Altlasten an die Oberfläche gelangen. Deshalb wollen James Howells und sein Team die Stadtbehörden mit einem Masterplan überzeugen. Die gesamte Mülldeponie soll ausgehoben, von Altlasten befreit und ein Teil des Abfalls rezykliert werden. Am Schluss sollen auf der gesäuberten Mülldeponie Windräder und Solaranlagen für die Gewinnung von sauberem Strom installiert werden.

Zudem stellen Howells und seine Financiers jedem der 128 000 Einwohner von Newport Bitcoins im Wert von 50 Dollar in Aussicht – falls die Festplatte denn wirklich gefunden werden sollte. «Es ist eine Win-win-Situation für alle Beteiligten», ist Wendekorn überzeugt. «Wir würden die Mülldeponie in einem besseren Zustand zurücklassen, als sie sich heute befindet.»

Die ganze Aktion würde gemäss dem Masterplan drei Jahre dauern und über 10 Millionen Dollar kosten. «Die Investoren für das Wagniskapital haben wir zusammen», sagt Wendekorn, «wir könnten morgen damit beginnen.» Selbst von dem Risiko, dass die Festplatte Schaden genommen haben könnte, lassen sich die Investoren nicht abschrecken. Dieses Risiko wird von Experten auf 10 bis 20 Prozent beziffert.

Wie gross der Anteil der Investoren am Gewinn wäre – falls die Festplatte tatsächlich gefunden würde und auch noch intakt wäre –, will Wendekorn nicht preisgeben. «Das hängt auch davon ab, wie sich der Wert des Bitcoins entwickelt.»

Nach verschiedenen Einbrüchen seit dem vergangenen Frühling hat sich der Kurs für die wichtigste Kryptowährung derzeit bei rund 16'000 Dollar eingependelt. Das ist zwar deutlich weniger als vor einem Jahr, aber Howells’ Portfolio hätte noch immer einen Wert von fast 130 Millionen Dollar.

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