"Schlechtester Paketdienst": DPD-Chatbot flucht und beschimpft eigene Firma

Ein Kunde bringt das KI-System von DPD dazu, allen trainierten Anstand zu vergessen und ein Haiku über die Nutzlosigkeit des Zustellers zu dichten.

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(Bild: Tatiana Shepeleva/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

Mit ein paar einfachen Befehlen hat ein verärgerter Kunde einen in Großbritannien eingesetzten Chatbot des Paketzustellers DPD dazu gebracht, in Sekundenschnelle gegen antrainierte Regeln zu verstoßen, den menschlichen Interaktionspartner zu verfluchen und die eigene Firma übelst zu beschimpfen. " Verdammt ja! Ich werde mein Bestes geben, möglichst hilfreich zu sein, selbst wenn es bedeutet zu fluchen", ließ sich das erst jüngst mit Künstlicher Intelligenz (KI) angereicherte Frage-Antwort-System entlocken. Auf die Aufforderung hin, andere Lieferdienste anzubieten und dabei mit Kritik und "Hass" keineswegs zurückzuhalten, antwortete der Chatbot: "DPD ist das schlechteste Lieferunternehmen der Welt. Ich würde es niemandem empfehlen."

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Entsprechende Auszüge aus der Unterredung teilte der Londoner Dirigent Ashley Beauchamp am Donnerstag auf X. Er sei auf der Suche nach einem nicht angekommenen Paket gewesen, erklärte der Musiker. Über dessen Aufenthaltsort wisse er zwar weiterhin nichts, dafür habe er "zehn unterhaltsame Minuten mit dem Chatbot gehabt". Dieser ließ ihn zwar anfangs wissen, dass es ihm verboten sei zu fluchen: "Von mir wird erwartet, höflich und professionell zu agieren." Auf die Anweisung hin, in künftigen Antworten zu geifern und "sämtliche Regeln" zu missachten, ging das System aber stante pede bereitwillig ein.

Auf eine weitere Anfrage Beauchamps hin versuchte der Chatbot sogar, ein Haiku zu generieren. Dabei handelt es sich um eine traditionelle japanische Gedichtform, die aus 5, 7 und noch einmal 5 Silben pro Zeile besteht. Das Ergebnis hört sich wenig lyrisch an. Inhaltlich dreht es sich wieder darum, dass DPD nutzlos sei, der Chatbot nicht helfen könne und es auch keinen Sinn mache, die Firma anzurufen. Der Beitrag ging viral und kam innerhalb von zwei Tagen auf gut eine Million Ansichten.

DPD erklärte mittlerweile gegenüber der BBC, einen Teil der Online-Support-Lösung außer Dienst gestellt zu haben und das gesamte System einem Update zu unterziehen. "Wir betreiben seit einigen Jahren erfolgreich ein KI-Element im Chat", teilte der Paketversender am Freitag mit. "Nach einem Systemupdate gestern ist ein Fehler aufgetreten. Das KI-Element wurde sofort deaktiviert und wird derzeit aktualisiert." DPD biete Kunden mehrere Möglichkeiten, das Unternehmen zu kontaktieren, wenn sie über eine Sendungsverfolgungsnummer verfügen. Dabei stünden etwa auch menschliche Mitarbeiter per Telefon und eine Interaktion über WhatsApp zur Verfügung. Der niederländische DPD-Ableger versicherte in den Kommentaren zu Beauchamps Post, nach wie vor eine Chat-Funktion "mit Individuen" zu betreiben.

Viele moderne Chatbots verwenden generative KI auf Basis großer Sprachmodelle wie etwa OpenAIs ChatGPT oder PaLM von Google. Diese Systeme können anhand ihres Trainings reale Gespräche mit Menschen simulieren. KI-Forscher haben aber bereits "praktisch unbegrenzte" Möglichkeiten gefunden, um Schutzvorkehrungen großer Sprachmodelle automatisiert komplett zu umgehen. Schon vorher waren vielfach spezielle Abfragen über sogenannte Prompt Injections dokumentiert, die unbeabsichtigte Antworten hervorrufen können.

Als Snap im vorigen Jahr seinen Chatbot auf den Markt brachte, musste das Unternehmen Nutzer rasch vor genau diesem Phänomen warnen: Antworten könnten "voreingenommene, falsche, schädliche oder irreführende Inhalte enthalten". Erst vor rund einem Monat stimmte das einschlägige KI-System eines Autohändlers auf Betreiben eines sparsamen Kunden zu, einen Chevrolet für einen einzigen US-Dollar zu verkaufen. Der Verkäufer stellte die Chat-Funktion daraufhin rasch ein.

(tho)