Open-Source-Adventskalender: Das Office-Paket Libreoffice

Von 1. bis zum 24. Dezember 2021 hat heise online jeweils ein "Kalendertürchen" mit dem Porträt eines Open-Source-Projekts geöffnet.

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(Bild: Semisatch/KOALA STOCK/Shutterstock.com/heise online)

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Von
  • Stefan Mey
Inhaltsverzeichnis

Wie beim Browser Firefox startete der Vorgänger von LibreOffice kommerziell. Über mehrere Entwicklungsschritte entstand dann das wichtigste deutsche Open-Source-Projekt.

Sechs Anwendungen enthält das Bürosoftware-Paket Libre Office: ein Schreibprogramm (LibreOffice Writer), ein Tabellenprogramm (Calc), ein Präsentationsprogramm (Impress), ein Grafikprogramm (Draw), eine Datenbankanwendung (Base) und einen Formeleditor (Math). Etwa 2.000 Erweiterungen sind verfügbar.

Der Open-Source-Adventskalender

LibreOffice ist primär für den PC entwickelt. Die Software kam im vergangenen Jahr durchschnittlich auf 2,7 Millionen monatliche Downloads. Die Zahl der User schätzt die The Document Foundation auf etwa 200 Millionen.

An eigenen Apps gibt es mit LibreOffice Viewer nur eine rudimentäre Android-Anwendung zum Anzeigen von Texten sowie Impress Remote zur Fernsteuerung von Präsentationen. Als vollwertige Smartphone-Anwendung empfiehlt LibreOffice die im Ökosystem entwickelte Collabora Office-App.

Die Vorgeschichte von LibreOffice reicht in die Mitte der 80er-Jahre zurück. Das 16-jährige IT-Wunderkind Marco Börries hatte 1985 die Firma Star Division gegründet, die das Bürosoftwarepaket StarOffice vertrieb.

Im Jahr 1999 verkaufte er sein in Hamburg sitzendes Start-up an Sun Microsystems, 2000 erfolgte die Umbenennung in OpenOffice. Im selben Jahr gab Sun den Quellcode des Softwareprojekts frei und benannte es in OpenOffice um.

Das war kurz nachdem der Code des Netscape-Browsers freigegeben wurde, woraus dann Firefox wurde. Sun habe sich einem Trend der Zeit hingegeben, so Mike Saunders, Marketing-Verantwortlicher der Document Foundation: "Damals gab es die Vorstellung in einigen Firmen: Wir geben einfach den Quellcode frei, dann liefert uns die Open-Source-Community frei Haus viele neue Funktionen". Sun dachte schon damals darüber nach, die Entwicklung in eine Stiftung auszulagern, setzte die Idee aber nicht um.

2010 übernahm Oracle Sun. Die Community war unsicher, inwieweit der IT-Gigant an der Unterstützung festhalten wird, es kam zum Fork. Da Oracle die Namensrechte an OpenOffice nicht freigeben wollte, nannte sich das neue Softwareprojekt LibreOffice. Im Frühjahr 2011 sammelte die Community in einem Crowdfunding 50.000 Euro als Startkapital ein.

2012 gründete sich The Document Foundation offiziell in Berlin. Kurz danach übergab Oracle das Open-Office-Projekt an die Apache Software Foundation.

Die Document Foundation sitzt in Berlin. Sie hat elf Angestellte und Freiberufler. Es gibt einen siebenköpfigen Vorstand, Vorsitzender ist der Karlsruher Software-Unternehmer Lothar Becker, Geschäftsführer der Stiftung der Florian Effenberger, ein der Mitgründer der Stiftung, der im bayerischen Kaufbeuren wohnt. Ein Mitglieder-Kuratorium, bestehend aus etwa 200 Personen, wählt den Vorstand.

Das Engineering Steering Committee berät den Vorstand in technischen Fragen. Ebenfalls beratende Funktion hat der Beirat (Advisory Board), in dem Sponsoren vertreten sind, darunter Abgesandte von Red Hat, Collabora, Gnome, Google, der Landeshauptstadt München und der Free Software Foundation Europe. Die Größe der Community schätzt Mike Saunders auf 300 bis 400 Personen.

Die Stiftung hinter LibreOffice sei, anders als beispielsweise die Mozilla Foundation, primär "kein Softwarehaus". Das Modell sei eher mit dem der Linux Foundation vergleichbar, so Saunders von der Document Foundation. Die Stiftung kümmere sich um den Software-Kern, um Qualitätssicherung, Dokumentation und Verwaltung. Den größten Teil der Entwicklungsarbeit hingegen leiste die Corporate Community: Angestellte von Firmen, die LibreOffice in eigene Produkten einsetzen oder LibreOffice-Support anbieten.

Laut einer Zusammenstellung für die aktuelle Version stammten von den etwa 7.000 Code-Beiträgen 29 Prozent vom britischen Unternehmen Collabora, das eine Cloud-Lösung für LibreOffice anbietet, und 27 Prozent vom Linux-Unternehmen Red Hat. Die IBM-Tochter liefert LibreOffice zusammen mit dem eigenen Betriebssystem aus. Weitere 27 Prozent kamen von 120 Einzelentwickler und -entwicklerinnen aus der Community. Auf das Konto der Document Foundation gingen nur etwa acht Prozent der Beiträge.

Laut dem englischen Jahresbericht lagen die Einnahmen der Document Foundation 2020 bei etwa 1,4 Millionen Euro, für Personal wurde 500.000 Euro ausgegeben. Die Stiftung finanziert sich fast ausschließlich – zu 97 Prozent – über Einzelspenden. Die Durchschnittsspende liegt bei elf Euro.

Ein kleiner Teil der Einnahmen stammt von Mitgliedern des Advisory Boards. Die Stiftung empfiehlt jährliche Mindestspenden, in Abhängigkeit von der Größe des Unternehmens, zwischen 500 und 20.000 US-Dollar.

Auch Google sitzt im Beirat. Der IT-Gigant spielt als Sponsor noch eine weitere Rolle. Über dessen "Summer of Code"-Stipendium arbeiteten 2020 sechs Studierende, von Google bezahlt, für jeweils drei Monate an LibreOffice.

Vor mehr als 35 Jahren hat der Entwicklungspfad begonnen, der zu LibreOffice führte, der Fork liegt zehn Jahre zurück. Die Geschichte ist jedoch noch immer präsent. Noch heute existieren LibreOffice und OpenOffice als parallele Projekte, zum Ärger von LibreOffice: Historisch bedingt ist OpenOffice noch immer bekannter als LibreOffice. Im Herbst 2020 forderte der Vorstand die Appache Foundation in einem offenen Brief auf, die parallele Entwicklung endlich aufzugeben und sich LibreOffice anzuschließen.

Die Arbeit an der Artikelreihe basiert in Teilen auf einem "Neustart Kultur"-Stipendium der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, vergeben durch die VG Wort.

Siehe auch:

(mho)