2. Bundesliga

Die Vormachtstellung des HSV ist nicht mehr gültig

Walter-Elf scheitert nicht nur an Bereitschaft - Dudziak vor Fürth-Wechsel

Die Vormachtstellung des HSV ist nicht mehr gültig

Enttäuscht von der Bereitschaft seines Teams: HSV-Coach Tim Walter.

Enttäuscht von der Bereitschaft seines Teams: HSV-Coach Tim Walter. imago images/Lobeca

In der Analyse, weshalb der alte Stadtmeister auch der neue ist, darf indes nicht zu kurz kommen: St. Pauli gewann keineswegs mit den üblichen Tugenden des Underdogs, sondern war auch fußballerisch über weite Strecken deutlich überlegen. Ein klarer Hinweis, dass die einst zementierte sportliche Vormachtstellung in der Hansestadt nicht mehr gültig ist.

In den vorangegangenen vier ungeschlagenen Duellen hatten tatsächlich bedingungslose Bereitschaft und auch Matchglück entscheidenden Anteil an St. Paulis Stadtmeisterschaften, am Freitag konnte der HSV auch in Sachen Tempo und Spielfreude nicht Schritt halten - diese Erkenntnis markiert einen neuerlichen Tiefpunkt einer Fehlentwicklung beim einstigen Branchen-Riesen, die ihn seit Jahren schrumpfen ließ und nun sogar den Nimbus als Nummer eins der Stadt bröckeln lässt. Walters Entschuldigung bei den eigenen Fans in den Katakomben des Millerntores wirkte nicht aufgesetzt, der Trainer war sichtbar angefasst. Weil der Auftritt nicht seinem Selbstverständnis entspricht. "Wenn fast das ganze Stadion gegen dich ist, dann elektrisiert das doch normalerweise. Mich jedenfalls treibt so eine Atmosphäre zu Höchstleistungen an."

"Da hatte ich mehr erwartet"

Seine Profis hingegen waren nur in der Anfangsphase ebenbürtig, nach dem schmeichelhaften Ausgleich durch Sonny Kittel kurz obenauf und hatten in ihrer einzigen Druckphase tatsächlich die Chance, dem Derby eine Wende zu geben, als St. Paulis Jakov Medic den durchgebrochenen Bakery Jatta im Strafraum deutlich zu Fall brachte (53.). Es spricht für Walter, dass er einerseits sein Unverständnis über eine haarsträubende Fehlleistung des Schiedsrichters im Zusammenspiel mit seinem VAR beklagt („Wir müssen einen ganz klaren Elfer kriegen“), die dennoch hoch verdiente Niederlage aber nicht daran festmacht. "Eigentlich haben wir ein paar Typen in der Mannschaft, die so eine Atmosphäre auch zu Höchstleistungen treibt, da hatte ich mehr erwartet. Wir haben nicht genügend Bereitschaft und Intensität an den Tag gelegt, das sind die Gründe."

Mit einem Sieg, einem Remis und einer Niederlage drückt die Startbilanz ziemlich exakt das aus, was der HSV in diesen drei Partien sportlich verkörpert hat: Durchschnitt. Jeweils nur eine starke Halbzeit gegen Schalke (3:1) und Dresden (1:1), und gegen einen sportlichen Hochkaräter in dieser Liga reichte es nur zu vereinzelten starken Phasen. Allein daraus ergeben sich für die Verantwortlichen Aufträge. Weitere gibt es durch einen bevorstehenden Abschied. Jeremy Dudziak fehlte auf St. Pauli im Kader, weil er kurzfristig für Gespräche freigestellt wurde. Der Mittelfeldspieler steht vor dem Wechsel zur SpVgg Greuther Fürth und damit vor einem Aufstieg. Für den hochveranlagten aber wankelmütigen 25-Jährigen ist das der schnellere und vor allem sicherere Schritt ins Oberhaus als ein Verbleib beim HSV.

Sebastian Wolff

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