Digital Services Act: Medienverbände nennen Plattformgesetz "verfassungswidrig"

Verbände von Journalisten und Presseverlegern kritisieren den Kompromiss zum EU-Gesetz für digitale Dienste scharf. Sie sehen die Meinungsfreiheit in Gefahr.

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(Bild: metamorworks / Shutterstock.com)

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Schwere Geschütze fahren Organisationen aus dem Mediensektor gegen den Deal zum Digital Services Act (DSA) auf, den Verhandlungsführer der EU-Gesetzgebungsgremien am Samstagmorgen festgeklopft haben. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) bezeichnete den Kompromiss am Montag als "verfassungswidrig". Der Medienverband der freien Presse (MVFP) und der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) machten die Einigung anhand der bislang bekannt gegebenen Details als "Gefahr für die Pressefreiheit und Meinungsvielfalt" aus.

Der DSA solle die Zuständigkeit für die Regulierung von Online-Inhalten auf der europäischen Ebene bündeln und so einen festen Rechtsrahmen für große internationale Anbieter wie Facebook und Google schaffen, erklärte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall. Er befürchtet: "Auf diese Weise wird die bewährte föderale Medienordnung, wie wir sie in Deutschland haben, mit einem Federstrich abgeschafft."

Die Medienregulierung ist hierzulande bislang vor allem Sache der Bundesländer, während der Bund selbst bereits zahlreiche Vorgaben für Inhalte im Internet wie das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) geschaffen hat. DJV-Chef Überall kann zwar nachvollziehen, dass in Brüssel angesichts der russischen Propagandaaktivitäten im Netz Handlungsbedarf gesehen werde. Aber auch hier gelte: "Gut gemeint ist nicht gut gemacht."

Gegen die Zentralisierung auf EU-Ebene sprechen aus Sicht des DJV-Vorsitzenden auch die kulturellen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. Äußerungen, die in Polen als Beleidigung oder Schmähung aufgefasst würden, könnten in Deutschland womöglich als scharfe Form freier Meinungsäußerung zulässig sein und umgekehrt. "Nach welchen Kriterien will die EU dann entscheiden?", fragt Überall. Das EU-Parlament, das dem Gesetz noch zustimmen müsse, sei daher gut beraten, "das Regelwerk in der vorliegenden Form abzulehnen". Der Beschluss im Plenum gilt mit der prinzipiellen Übereinkunft der EU-Gremien aber nur noch als Formsache.

Ähnlich äußerten sich der MVFP (ehemals Verband Deutscher Zeitschriftenverleger) und der BDZV. Sie monieren: Die EU verpflichte Plattformen nicht nur zum Löschen rechtswidriger Inhalten. Sie wolle "diesen auch erlauben, rechtmäßige Veröffentlichungen zu sperren". Damit bestehe die Gefahr, dass "Google und Facebook über Inhaltsvorgaben in ihren Nutzungsbedingungen auch legale journalistische und redaktionelle Inhalte" blockierten. Die Gatekeeper würden so in Teilen zu Zensoren, was die Abgeordneten und der Ministerrat in der finalen Zustimmungsrunde verhindern müssten.

"Die föderale Medienregulierung ist ein Garant dafür gewesen, dass in Deutschland eine der vielfältigsten Medienlandschaften der Welt besteht", betonen die Verlegerverbände zudem. "Dies darf durch europäische Vorgaben und Regulierungsbehörden nicht gefährdet werden."

Der Rechts- und der Kulturausschuss des Parlaments hatten zuvor vergeblich auf eine "Medienausnahme" gedrängt, wonach Betreiber sozialer Netzwerke journalistische Inhalte nicht hätten löschen dürfen. Gegner sahen in dieser Klausel ein Einfallstor für Desinformation. Die allgemeine Bestimmung zum Schutz der Grundrechte im DSA und der Verweis auf das in der EU anwendbare Medienrecht reichen dem MVFP und dem BDZV nicht.

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Behörden aller Art können mit dem "digitalen Grundgesetz" künftig etwa Host-Providern und Betreibern sozialer Netzwerke ohne Richtervorbehalt grenzüberschreitende Anordnungen schicken, um gegen illegale Inhalte wie strafbare Hasskommentare, Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs oder die unautorisierte Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke vorzugehen. Betroffene Plattformen müssen solche Angebote dann unverzüglich sperren. Die Bestimmungen beziehen sich grundsätzlich auch auf schädliche Inhalte wie Desinformation.

Die Kommission soll die zentrale Aufsicht über die speziell für sehr große Plattformen geltenden Vorschriften führen. Die Landesmedienanstalten hatten vorab gewarnt, der DSA drohe "ein bürokratisches Monstrum" zu kreieren. Das Prinzip der Staatsferne für die Medienaufsicht werde nicht eingehalten, die Arbeit bereits funktionierenden Kontrollorgane erschwert. Digitalverbände, Verbraucherschützer, Bürgerrechtler und Medienforscher begrüßen die neuen Vorschriften größtenteils.

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