Klare Worte. Aber hat Lunduke damit auch recht?

Grafik: Bryan Lunduke

Ist Linux endlich bereit für den großen Durchbruch am Desktop? Eine Frage, die unter Fans und Entwicklern seit Jahren gleichermaßen für hitzige Diskussionen sorgt. Bryan Lunduke hat dazu eine eindeutige Meinung: "Linux sucks" ("Linux ist furchtbar") nennt sich ein Vortrag, den er seit Jahren in immer neuen Auflagen auf diversen Konferenzen hält. Und dabei sollte er eigentlich wissen, wovon er redet, immerhin ist Lunduke Chefredakteur des "Linux Journal" und somit mit der Materie bestens bewandert.

Ganz so böse, wie es die provokante Überschrift vermuten lässt, ist seine Analyse aber ohnehin nicht. Lunduke geht es vielmehr darum, durchaus selbstkritisch den Status quo des Linux-Desktops zu beleuchten. Für das Jahr 2020 hat er das passend zur Corona-Krise in einem Youtube-Video gemacht.

Zahlen

Für all jene, die vom "Jahr des Linux-Desktops" träumen, hat Lunduke zunächst einige Statistiken parat. Über die Jahre habe dieser kaum eine relevante Verbreitung gefunden, der Marktanteil variiere zwar je nach Messung, sei aber im Schnitt mit etwas mehr als einem Prozent marginal. Und daran habe sich auch seit langem wenig geändert.

Bryan Lunduke

Ähnlich sehe es bei Suchanfragen aus: Den Höhepunkt des Interesses an Linux habe es im Jahr 2004 gegeben. 2006 sei die Zahl der Suchen nach dem Begriff "Linux" schon auf die Hälfte gesunken und bis heute kontinuierlich weiter zurückgegangen. So erfolgreich das freie Betriebssystem also in vielen Bereichen sein mag, so gering sei das öffentliche Interesse.

Beispielhafte Probleme

Lunduke hat dabei aber auch konkrete Problempunkte ausgemacht, die er für das Scheitern von Linux am Desktop verantwortlich macht. Einer davon sei die Softwaresituation. Das lasse sich gut mit einem konkreten Beispiel illustrieren: Er habe zu Hause noch die Originale von Spielen wie "Civilization: Call to Power", "Railroad Tycoon 2" und "Sim City 3000" herumliegen, die allesamt damals auf Linux portiert wurden. Von diesen laufe auf einer modernen Linux-Distribution aber kein einziges mehr.

Das sei aber nicht bloß ein Problem von proprietärer Software. Linux-Verfechter würden gerne darauf verweisen, dass doch ohnehin alles Open Source ist, womit auch die langfristige Kompatibilität kein Problem sei. Immerhin könnten alte Programme dann auch von Dritten angepasst werden. In Wirklichkeit sei das aber im besten Fall Wunschdenken. Die Wartung von Software unter Linux sei eine massive Herausforderung, sie dauerhaft an neue Entwicklungen anzupassen und sicherzustellen, dass dabei nichts kaputtgehe, stelle einen großen Zeitaufwand dar. Insofern mache es in der Praxis auch rasch kaum mehr einen Unterschied, ob ein Programm Open Source sei oder nicht – eben weil der Aufwand für die Anpassungen ohnehin zu groß sei.

Verwirrende Auswahl

Die gute Nachricht: Mit neuen Paketformaten, die alle Abhängigkeiten in einem Container mitliefern können, sei Besserung in Sicht. Aber natürlich habe sich die Linux-Community auch hier wieder nicht auf einen gemeinsamen Weg einigen können. Also gibt es mit AppImage, Flatpak, Snap und Co wieder jede Menge konkurrierender System und keinen klaren Pfad für Softwareentwickler, die gerne Linux unterstützen wollen.

Zu viele Köche

Lunduke sieht aber auch strukturelle Probleme für den ausbleibenden Erfolg des Linux-Desktops. Der Community-Ansatz habe in vielen Bereichen Vorteile, für die konzentrierte Entwicklung eines Desktops sei er aber hinderlich. Hierfür bräuchte es klare Strukturen, die entsprechende Entscheidungen treffen. Nicht hilfreich sei dabei auch, dass mittlerweile Unternehmen einen großen Teil der Entwicklung im Linux-Umfeld übernehmen, sich aber auch dort niemand wirklich zuständig fühlt. Dadurch habe man die Nachteile von Unternehmen ohne deren Vorteile geerbt.

Groß reden, aber sonst nichts

Was Lunduke besonders nervt, ist aber ein anderer Punkt: nämlich wie viele Leute gerne groß über Linux am Desktop reden, es aber gar nicht selbst nutzen. Es gebe zahlreiche Beispiele von Rednern auf Linux-Konferenzen, die ihre Vorträge auf Macs halten. Auch wisse er von vielen Linux-Podcasts und -Youtube-Kanälen, die nicht unter dem freien Betriebssystem produziert wurden. (red, 9.6.2020)