NSA-Skandal: Heimliche Telefon-Überwachung war verfassungswidrig

Alle US-Rufdaten zu sammeln war nicht nur gesetzes- sondern auch verfassungswidrig. Vier langjährig Verurteilten hilft das nichts, weil die NSA gelogen hat.

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Eine US-Fahne hängt lahm am unteren Ende einer Fahnenstange und somit im nassen Erdreich

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 4 Min.
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Die jahrelange heimliche Sammlung aller US-Einzelgesprächsdaten durch den Geheimdienst NSA war nicht nur gesetzes- sondern auch verfassungswidrig. Das hat ein US-Bundesberufungsgericht am Mittwoch entschieden. Für jene vier Männer, die das Urteil errungen haben, ist das aber ein Pyrrhussieg: Die illegal gesammelten Beweise bleiben gültig, die Männer bekommen keinen neuen Prozess und bleiben in Haft. Grund: Die NSA hat gelogen.

Vor sieben Jahren hat Edward Snowden neben PRISM eine Reihe weiterer Überwachungsprogramme der NSA aufgedeckt. Eines davon betraf die anlasslose Sammlung aller Telefondaten aller US-Anschlüsse. Wer wann wen von wo mit wem und welchem Endgerät telefoniert hat wurde jahrelang gespeichert und in Datenbanken gefüttert. Bereits 2015 hat das US-Bundesberufungsgericht für den Zweiten Bundesgerichtsbezirk diese US-Telefonüberwachung für gesetzwidrig erklärt, weil sie gegen Unterabschnitt IV des Foreign Intelligence Surveillane Act (FISA) verstößt.

Die US-Regierung verteidigte sich damals mit dem Hinweis auf einen Fall, der ohne die Totalüberwachung der Telefonverbindungen nicht hätte aufgedeckt werden können: Ein Mann war 2013 zu 18 Jahren Haft verurteilt worden, weil er insgesamt 10.900 US-Dollar (aktuell gut 9000 Euro) nach Afrika geschickt hatte. Das Geld soll militanten Islamisten zu Gute gekommen sein.

Drei weitere Männer, ein Prediger, ein Mitarbeiter eines Geldinstituts und ein Taxifahrer, wurden wegen Mittäterschaft zu 13, zehn und sechs Jahren Haft verurteilt. Es ist bis heute der einzige konkrete Fall, auf den die US-Dienste zu ihrer Rechtfertigung verwiesen haben. Nach Snowdens Enthüllungen beantragten die vier Männer ein neues Gerichtsverfahren, weil sie nicht ausreichend über die Herkunft der Beweise informiert worden waren, weshalb sie die Beweise nicht anfechten konnten. Und weil die Überwachung grundsätzlich rechtswidrig gewesen sei.

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Am Mittwoch hat das Bundesberufungsgericht entschieden: Ja, die NSA-Telefonüberwachung war nicht nur ein Verstoß gegen FISA, sondern auch gegen den Vierten Zusatzartikel der US-Verfassung. Dieser soll Bürger vor staatlichen Übergriffen schützen. Dem Antrag der vier Männer, die Beweise für ungültig zu erklären, tritt das Gericht dennoch nicht näher.

Denn, so haben die drei Richter aus geheimen Gerichtsunterlagen geschlossen, war die Totalüberwachung der Telefonverbindungen gar nicht entscheidend für die Überführung der Täter: "To the extent the public statements of government officials created a contrary impression, that impression is inconsistent with the contents of the classified record." ("Soweit öffentliche Aussagen von Regierungsbeamten einen anderen Eindruck erweckt haben, ist dieser Eindruck nicht mit den Inhalten der geheimen Unterlagen vereinbar.")

Anders gesagt: Die US-Regierung hat gelogen, als sie diesen Fall zur Rechtfertigung der anlasslosen Telefonüberwachung herangezogen hat. Damit können sich die Verurteilten nicht auf die Verfassung berufen, um die Beweise unterdrücken zu lassen.

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Auf das verletzte Gesetz können sich die Verurteilten auch nicht berufen. Zwar hat die NSA die Bestimmungen des Gesetzes FISA, Unterabschnitt IV, verletzt. Doch während FISA in den Unterabschnitten I, II, III und VI konkret vorsieht, dass unzulässig gesammelte Beweise vor Gericht unterdrückt werden können, fehlt ein solche Bestimmungen in Unterabschnitt IV. Also lässt das Gericht die rechtswidrig gesammelten Beweise zu und sieht keinen Grund dafür, den Strafprozess zu wiederholen.

Auch wenn es den vier Männern nichts bringt, ist das Urteil nicht belanglos. Schon alleine die Feststellung, dass die anlasslose Telefonüberwachung im Inland verfassungswidrig war, hat große politische Bedeutung. Sie könnte Edward Snowden einen Schritt näher zu einer Begnadigung bringen.

Zudem könnte die Feststellung Angeklagten in anderen Strafprozessen helfen. Und das Urteil enthält noch eine weitere wichtige Aussage: Wenn die Anklage durch geheimdienstliche Überwachung gesammelte Beweise in einem Strafprozess vorbringen möchte, muss sie dies den Angeklagten offenlegen. Das soll Angeklagten die Gelegenheit verschaffen, die Zulässigkeit der Beweise anzufechten.

Das Urteil des US-Berufungsgerichts für den Neunten Bundesgerichtsbezirk betrifft vier Verfahren: USA v. Basaaly Saeed Moalin, Az. 13-50572, USA v. Mohamed Mohamed Mohamud, Az. 13-50578, USA v. Issah Doreh, Az. 13-50580, sowie USA v. Ahmed Nasir Taalil Mohamud, Az. 14-50051.

(ds)