Mehr als 30 LNG-Tanker warten vor Europas Küste auf höhere Gaspreise

Wegen niedriger Gaspreise geben Händler mit ihren LNG-Schiffen derzeit kein Vollgas. Warum sie vor Europa warten und warum das für Asien schlecht ist.

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(Bild: Wojciech Wrzesien / Shutterstock.com)

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Während auf dem Kontinent weiterhin zur Sparsamkeit beim Gasverbrauch aufgerufen wird, befinden sich laut Medienberichten mehr als 30 Flüssigerdgas-Tanker auf Langsamfahrt vor Europas Küsten und warten höhere Gaspreise ab. Das Taktieren der Gashändler sorge unter anderem dafür, dass LNG-Abnehmer in Asien teilweise leer ausgehen, sagen Experten.

Bereits Mitte Oktober lagen etliche LNG-Tanker vor Europa auf Reede oder bewegten sich nur in langsamer Fahrt. Zu der Zeit waren aber Engpässe an LNG-Terminals in Spanien die Ursache, weshalb die Schiffe nur nach und nach ihre Fracht zur Regasifizierung entladen konnten. Nach Angaben der Financial Times überqueren weitere 30 LNG-Schiffe gerade den Atlantik.

Inzwischen verbleiben die Schiffe laut den Erkenntnissen des Londoner Analyseunternehmens Vortexa, das auf Energie und Schifffahrt spezialisiert ist, freiwillig auf den Meeren, da die Gashändler auf höhere Preise warten. Ähnlich sei schon mit Öltankern während der Coronakrise vorgegangen worden. Trotz der durch die Wartezeiten steigenden Mietkosten für die Tanker könnte sich das Abwarten bei einer ausreichend hohen Preisdifferenz lohnen, sagt Felix Booth, zuständig für LNG-Themen bei Vortexa. Er rechnet mit einem Mehrerlös von rund einer Milliarde US-Dollar, wenn die Fracht erst zu den im Dezember und Januar üblichen Preisen entladen wird.

Der bislang milde Herbst und die europaweit nahezu aufgefüllten Gasspeicher haben zu einem deutlichen Preisrückgang beim Erdgas geführt. Hinzu kämen ein hohes Maß an Stromerzeugung aus Windkraft und preisbedingte Nachfragerückgänge in der Industrie. Laut Booth wurden Preisniveaus erreicht, die in diesem Winter nicht erwartet wurden, da Europa aufgrund der Kürzung der russischen Gaslieferungen in den Pipelines eigentlich unter einer systematischen Energieknappheit leidet.

Das auf -162 Grad gekühlte flüssige Erdgas auf den Schiffen soll einen geschätzten Wert von 2 Milliarden bis 3,4 Milliarden US-Dollar haben. Es reiche aus, um 2,7 Millionen Haushalte für ein Jahr zu versorgen, berichtet das Handelsblatt.

Nach Angaben der Energie-Medienagentur Argus Media können die meisten LNG-Tanker durchschnittlich zwischen 135.000 bis 185.000 Kubikmeter flüssiges Erdgas laden. Im flüssigen Zustand nehme das Erdgas nur ein Sechshundertstel des Volumens ein, das es im gasförmigen Zustand einnimmt. Die Versorgung mit Flüssigerdgas soll unter anderem in Deutschland künftig den Ausfall russischer Gaslieferungen kompensieren. Aktuell werden in verschiedenen norddeutschen Häfen wie in Wilhelmshaven, Stade und Lubmin neue LNG-Terminals errichtet.

Durch die Bummelfahrt komme es allerdings zu einer künstlichen Verknappung der zur Verfügung stehenden Schiffe. Insgesamt soll es weltweit aktuell knapp 700 LNG-Tanker geben. Deren Mietpreis habe sich im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. So koste eine Fahrt zwischen der US-Golfküste und Nordwest-Europa inzwischen 468.000 US-Dollar.

Die aktuelle Situation am LNG-Markt führe überdies dazu, dass der asiatische Markt teilweise leer ausgehe. Dadurch, dass die Frachtraten in die Höhe gehen und die Verknappung durch langsame Fahrt die Situation weiter zuspitzt, seien die Frachtpreise für die längere Fahrt nach Asien kaum noch bezahlbar. So dauert eine Fahrt hin und zurück von der US-Golfküste nach Europa etwa 28 Tage. Nach Nord-Ost-Asien und zurück in die USA sind die Schiffe etwa 51 Tage unterwegs. Neben den USA gehören Katar und Australien zu den Hauptlieferanten des Flüssigerdgases. In Asien ist unter anderem China ein großer Abnehmer für LNG.

Laut Felix Booth von Vortexa hat das Taktieren der Gashändler aber auch einen Vorteil für die Energieversorgung: Der Rückstau an LNG-Schiffen erweise dem europäischen Energiemarkt als zusätzlicher schwimmender Speicherpuffer für den kommenden Winter einen nützlichen Dienst, sagt er.

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Es wurden Einschätzungen und Aussagen eines Analysten ergänzt.

(mki)