Alexander Schallenberg und Wolfgang Mückstein
APA/EXPA/Johann Groder
Impfpflicht kommt

Bundesweiter Lockdown ab Montag

Der vierte bundesweite Lockdown seit Beginn der Pandemie kommt: Wie Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) am Freitagvormittag in einer Pressekonferenz bekanntgaben, schließen Gastronomie, Kultur- und Veranstaltungsbranche sowie Handel (außer Geschäfte des täglichen Bedarfs) mit Montag. Schulen und Kindergärten sollen offen bleiben. Fix ist außerdem eine Impfpflicht.

Mückstein sagte, es sei eine gemeinsame Entscheidung gewesen. Leider sei man auch als Bundesregierung hinter den eigenen Ansprüchen zurückgeblieben. „Ich möchte mich dafür entschuldigen“, so der Gesundheitsminister. Der Lockdown sei das allerletzte Mittel – „ein Lockdown ist immer eine Zumutung“. Es sei keine populäre Entscheidung gewesen, „aber eine notwendige“.

Gemeinsam mit Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) und Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) gaben Kanzler und Gesundheitsminister nach der Landeshauptleutekonferenz weitere Details bekannt. Es gelten Ausgangsbeschränkungen von 0.00 bis 24.00 Uhr für alle. Der Lockdown soll rund um die Uhr und in einem ersten Schritt zehn Tage gelten. Nach dem allgemeinen Lockdown werden Einschränkungen für Ungeimpfte bleiben, so der aktuelle Plan der Regierung. Nach zehn Tagen wird die Lage evaluiert.

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne)

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) sagte, dass der Lockdown das allerletzte Mittel sei, angesichts der derzeitigen Lage aber notwendig.

In Oberösterreich wird der Lockdown bis zum 17. Dezember dauern. Dann soll über das weitere Vorgehen entschieden werden – mehr dazu in ooe.ORF.at. Salzburg will sich nicht auf ein genaues Datum festlegen. Man werde vor dem Ende des österreichweiten Lockdowns am 12. Dezember die Lage neuerlich beurteilen und dann entscheiden, so ein Sprecher des Landes. Es bestehe die Chance, dass Salzburg vor Weihnachten aus dem Lockdown kommt.

Schulen und Kindergärten sollen offen bleiben, so Mückstein. Schallenberg sagte auf Nachfrage, er appelliere an alle Eltern, bei denen es möglich sei, die Kinder zu Hause zu lassen. Bereits am Donnerstag hatte das Bildungsministerium einen Leitfaden für Salzburg und Oberösterreich veröffentlicht, der ORF.at vorliegt: Der Stundenplan soll aufrechterhalten werden. Kinder sollen ohne ärztliches Attest zu Hause bleiben dürfen. Schülerinnen und Schüler, die aufgrund des Wunsches der Eltern der Schule fernbleiben, sollen sich, so das Ministerium, über die Stoffgebiete bei den zuständigen Lehrpersonen informieren. Es soll kein flächendeckendes Distance-Learning stattfinden.

Für alle Arbeitnehmer gilt eine Homeoffice-Empfehlung, in den Arbeitsstätten ist weiterhin 3-G verpflichtend. Eine FFP2-Maskenpflicht gilt in allen geschlossenen Räumen, auch am Arbeitsplatz. Veranstaltungen im Bereich Spitzensport dürfen weiter stattfinden, aber ab Montag nur noch ohne Zuschauer.

Allgemeine Impfpflicht ab 1. Februar

Eine allgemeine Impfpflicht wird ab sofort vorbereitet und soll ab 1. Februar gelten. Wer sich dennoch nicht impfen lassen will, dem drohen Verwaltungsstrafen. „Lange Zeit war es Konsens in diesem Land, dass wir keine Impfpflicht wollen“, so Schallenberg. „Lange, vielleicht zu lange“ sei man davon ausgegangen, dass es auch ohne Pflicht möglich sei, eine hohe Impfquote zu erreichen. Nun müsse man der Realität ins Auge sehen.

Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP)

Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) sagte, man müsse der Realität ins Auge sehen. Man sei lange davon ausgegangen, dass es ohne Impfpflicht gehe, es habe sich aber gezeigt, dass man so keine ausreichend hohe Durchimpfungsrate erzielen habe können.

„Wir haben mit Anreizsystem gearbeitet“, so Mückstein. Es habe bereits ein erstes Gespräch mit den Sozialpartnern gegeben. Auch Verfassungsrechtler hätten bereits signalisiert, dass eine allgemeine Impfpflicht möglich sei. Er garantiere eine „ordentliche Begutachtungsfrist“, so Mückstein. In ganz Österreich soll es ab sofort – wie zuvor bereits in Wien – für alle Geimpften die Möglichkeit geben, sich die dritte Impfung bereits nach vier Monaten geben zu lassen.

Platter, der Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz, betonte, dass das Gesundheitssystem am Rande der Belastbarkeit stehe. Es sei wichtig, dass Bund und Länder an einem Strang ziehen. Auch wies er darauf hin, dass neben den Regierungsparteien ÖVP und Grüne auch die SPÖ bei dieser Einigung mit an Bord sei.

Der Wiener Bürgermeister Ludwig sagte, man habe sich „in Solidarität zu den Bundesländern Salzburg und Oberösterreich“ entschlossen, bundeseinheitlichen Regeln zuzustimmen. „Wir alle wissen, wir werden keinen Schönheitspreis bekommen“, so Ludwig zur unpopulären Maßnahme des Lockdowns. Ihm sei klar, dass der Lockdown für viele Branchen eine einschneidende Maßnahme sei. Der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) meinte, dass es wichtig gewesen sei, den Lockdown mit einer späteren Impfpflicht zu kombinieren, "um nicht alle drei, vier Monate in einen neuen Lockdown zu stolpern“ – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

Wolfgang Mückstein, Alexander Schallenberg, Günther Platter und Michael Ludwig
APA/EXPA/Johann Groder
Mückstein, Schallenberg, Platter und Ludwig traten gemeinsam vor die Presse, um den vierten Lockdown zu verkünden

Hilfen werden verlängert bzw. neu aufgelegt

Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) und ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher kündigten in einer Pressekonferenz der Wirtschaft für die Lockdown-Zeit eine Fortführung der Wirtschaftshilfen an. „Wir nutzen den bewährten Instrumentenkoffer. Dadurch sind wir schnell startklar, und die Unternehmer kommen schneller zu ihrem Geld“, so Blümel. Allerdings müssten sich alle geförderten Unternehmen an die CoV-Bestimmungen halten, ansonsten ist die Hilfe zurückzuzahlen.

Die CoV-Kurzarbeit gelte jedenfalls bis Jahresende, decke also den jetzt angekündigten Lockdown ab, so Kocher. Wie es danach weitergeht, sei noch offen. Ab Montag haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen in die Risikogruppe fallen, wieder die Möglichkeit, sich ein Risikoattest zu besorgen und sich im Bedarfsfall freistellen zu lassen.

Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP)

Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) kündigte die Verlängerung bzw. Neuauflage der Coronavirus-Hilfen an.

Sonderbetreuungszeit für Kinder in Quarantäne

Der Freistellungsanspruch für Schwangere in körpernahen Berufen ist ohnehin nach wie vor aufrecht, auch könne die Sonderbetreuungszeit unverändert in Anspruch genommen werden, wenn ein Kind in Quarantäne geschickt wird oder an Covid-19 erkrankt, sagte Kocher. Der Minister „empfiehlt“ Unternehmen, Homeoffice zu nutzen.

Für Betriebe gibt es weiter einen Ausfallsbonus bei einem Umsatzeinbruch von mindestens 40 Prozent im Vergleich zum gleichen Monat 2019, also vor der Pandemie. Zehn bis 40 Prozent des Umsatzrückgangs können erstattet werden, maximal 2,3 Mio. Euro statt bisher 1,8 Mio. Euro. Die Hilfe gilt von November bis März 2022 und kann ab 16. Dezember beantragt werden. Die Kosten belaufen sich auf bis zu 700 Mio. Euro im Monat.

ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher

ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher empfahl den Unternehmen, auf Homeoffice zu setzen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben weiterhin Anspruch auf Sonderbetreuungszeit für Kinder in Quarantäne.

Verlustersatz und Härtefallfonds wieder aktiviert

Auch gibt es einen Verlustersatz bei mindestens 40 Prozent Umsatzeinbruch im Vergleich zum identen Monat 2019. 70 bis 90 Prozent des Verlusts können ersetzt werden, maximal zwölf Mio. Euro statt bisher zehn Mio. Dieser gilt von Jänner bis März 2022 und kann ab Jänner beantragt werden. Die Kosten der Maßnahme sind noch offen.

Bei mindestens 40 Prozent Einkommensrückgang oder wenn die laufenden Kosten nicht mehr gedeckt werden können, gibt es Mittel aus dem Härtefallfonds. Die Ersatzrate liegt bei 80 Prozent des Nettoeinkommensentgangs zuzüglich 100 Euro. Die Beihilfe läuft bis März 2022, es gibt zwischen 600 und 2.000 Euro. Die Maßnahme kostet 100 Mio. Euro pro Monat. Auch Steuerstundungen und Herabsetzungen werde es weiter geben, kündigte Blümel an.

Neue Hilfen für Kulturbranche

Aufgrund des ab Montag geltenden neuen Lockdowns werden auch in der Kultur Hilfen verlängert und aufgestockt, kündigte die Grünen-Staatssekretärin für Kultur, Andrea Mayer, an. Die Situation für den Kunst- und Kulturbetrieb bezeichnete sie als einen „erneuten Rückschlag, der sich nicht beschönigen lässt“.

Konkret wird der NPO-Fonds bis zum ersten Quartal 2022 verlängert und mit zusätzlichen 125 Mio. Euro dotiert. Die Hilfen im Rahmen der Künstlersozialversicherung werden ebenfalls über November hinaus bis zumindest in das erste Quartal des kommenden Jahres verlängert und von 150 auf 175 Mio. Euro aufgestockt. In den Lockdown-Monaten gelangen pro Antrag 1.000 Euro statt 600 Euro zur Auszahlung. Der Covid-19-Fonds des KSVF (Künstlersozialversicherungsfonds) wird von 40 auf 50 Mio. Euro aufgestockt.

„Weil nach dem Lockdown nicht gleich Planungssicherheit gegeben sein wird“, werden laut Mayer auch die Ausfallshaftungen verlängert. Für den Veranstalterschutzschirm soll man nunmehr bis 30. Juni 2022 (für Veranstaltungen, die bis 30. Juni 2023 geplant werden) einreichen können. Gleiches gilt für den „Comeback-Zuschuss Film“, der um ein halbes Jahr bis Jahresende 2022 (Antragstellung bis 30. Juni 2022) verlängert wird.

Grünen-Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer

Grünen-Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer erkärte, dass auch die Kulturhilfen erneuert werden.

Einschränkungen für Geimpfte nach langem ÖVP-Dementi

Salzburg und Oberösterreich hatten schon am Donnerstag einen Lockdown ab Montag ausgerufen. Schallenberg und Mückstein waren bereits Donnerstagabend an den Tiroler Achensee gefahren, um mit den für die Landeshauptleutekonferenz zusammengekommenen Ländervertretern über das weitere Vorgehen zu beraten. Widerstand gegen einen österreichweiten Lockdown gab es zuvor in den Reihen der ÖVP: Kanzler Schallenberg hatte wiederholt gesagt, dass es keine Einschränkungen für Geimpfte mehr geben werde.

Auch die ÖVP-geführten Länder Niederösterreich, Tirol und Steiermark waren in den vergangenen Tagen nicht bereit gewesen, dem Vorbild Salzburgs und Oberösterreichs zu folgen. Solidarisch mit Oberösterreich und Salzburg hatten sich die SPÖ-regierten Länder Kärnten, Wien und Burgenland gezeigt. Sie hatten sich – bereits vor dem Verhandlungsergebnis – durchaus zu einem Lockdown für alle bereiterklärt, obwohl zumindest Wien und das Burgenland die vierte Welle deutlich besser im Griff haben.