Rundfunkbeitrag: Signal für Qualitätsmedien oder demokratischer Tiefschlag?

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, den Rundfunkbeitrag zu erhöhen, erfährt viel Zustimmung. Es ist aber auch die Rede von einem "Demokratieproblem".

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(Bild: Jan von nebenan/Shutterstock.com)

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Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, den Rundfunkbeitrag "vorläufig" zu erhöhen und die Blockade Sachsen-Anhalts außer Kraft zu setzen, hat eine neue Debatte über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk entfacht. Erleichtert reagierte etwa der Deutsche Journalisten-Verband (DJV). Dessen Vorsitzender Frank Überall wertete das Urteil als "gutes Zeichen für den Qualitätsjournalismus" bei den Öffentlich-Rechtlichen.

Überall, der regelmäßig für den WDR arbeitet, appellierte an ARD, ZDF und Deutschlandradio, bereits eingeleitete und geplante Sparmaßnahmen zulasten der Programmangebote ad acta zu legen: Es gibt jetzt keinen Grund mehr, hier zu sparen. Der Journalist wertete die Entscheidung zudem als "schallende Ohrfeige" für Populisten, die versuchten, "über die Finanzierung Einfluss auf die Programminhalte" zu nehmen.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff respektiert nach eigenen Angaben die Ansage aus Karlsruhe. Der CDU-Politiker hatte den Medienstaatsvertrag zur Erhöhung des Beitrags im Dezember aufgehalten, indem er ihn dem Landtag nicht zur Abstimmung vorlegte. Er unterstrich die hohe Bedeutung der Öffentlich-Rechtlichen. Zugleich bedauerte er, dass die Karlsruher Richter kein neues Verfahren vorgegeben haben, um die Beitragshöhe festzulegen.

Laut dem Regierungschef bleibt vor allem unklar, was passiert, wenn die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) einen bestimmten Finanzbedarf ermittelt, den die Landtage dann nicht akzeptierten. Die Parlamente müssten frei sein in ihrer Entscheidung. Für Haseloff ist das "ein Demokratieproblem", das nicht gelöst sei.

"Der Rundfunkbeitrag dient der Rundfunkfreiheit und damit der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung", freute sich die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) über den Zuspruch aus Karlsruhe. Als Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder hätte sie sich gewünscht, dass es einer solchen Klarstellung gar nicht bedurft hätte. Die Medien und gerade auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk seien Eckpfeiler der Demokratie: "Es ist seine Aufgabe, durch sorgfältig recherchierte Informationen, Fakten und Meinungen auseinanderzuhalten, das Sensationelle nicht in den Vordergrund zu stellen und die Realität in Deutschland abzubilden."

Die Koordinatorin der Rundfunkkommission, die rheinland-pfälzische Medienstaatssekretärin Heike Raab (SPD), meinte, der Beschluss werde der Neugestaltung der Öffentlich-Rechtlichen einen Schub geben. Dabei müssten die Rundfunkanstalten für die digitale Welt gestärkt werden.

In Thüringen, wo die Erhöhung des Rundfunkbeitrags ebenfalls umstritten war, begrüßte Staatskanzleichef Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) den Beschluss. Funktionsfähigkeit und bedarfsgerechte Finanzierung seien "die DNA unseres funktionierenden dualen Rundfunksystems und extrem wichtig für eine aufgeklärte Demokratie". Hamburgs Mediensenator Carsten Brosda feierte das Urteil als "deutliche Klatsche" für alle, "die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zum Spielball politischer Interessen gemacht haben".

Die medienpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Elisabeth Motschmann, betonte: "Umso mehr wächst nun aber die Verantwortung von ARD, ZDF und Deutschlandradio, ihrem Kultur-, Bildungs- und Informationsauftrag vollumfänglich nachzukommen und gleichzeitig effizient mit den Mitteln umzugehen." Es müsse weitere erkennbare Fortschritte in ihrem Reformprozess geben.

Das Gericht habe die Welt für die Medienpolitiker der CDU wieder zurechtgerückt, lobt der SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese. Diese stelle - zumindest in Sachsen-Anhalt – "immer wieder die Rundfunkfreiheit in Frage". Bei aller Zustimmung zur Entscheidung gebe es aber auch "berechtigte Kritik etwa an Programminhalten oder am Umgang mit Beitragsgeldern", ergänzte der SPD-Medienpolitiker Martin Rabanus. "Daher geht es im nächsten Schritt darum, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk angemessen zu reformieren, und dabei die Vielfalt des Programms sowie die Arbeitsbedingungen für Medienschaffende zu stärken."

Das Urteil sei verfassungsrechtlich nachvollziehbar, teilte der medienpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Thomas Hacker, mit. Die Länder könnten die Frage nach dem konkreten Auftrag der Sender aber nun nicht mehr aufschieben. Letztere müssten "in ernsthafte Diskussionen über ihre zukünftige Ausrichtung und Struktur" einsteigen. Die Liberalen seien für einen schlankeren öffentlich-rechtlichen Rundfunk, "der sich vor allem auf Nachrichten, Kultur, politische Bildung und Dokumentationen konzentriert". Der Beitrag dürfe nicht immer weiter steigen.

Eine breite gesellschaftliche Debatte über den künftigen Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen fordert auch Doris Achelwilm, medienpolitische Sprecherin der Linksfraktion. "Ein falsches Signal ist es, wenn etwa die ARD vorschlägt, ausgerechnet politische Information, Recherche und Auslandsberichterstattung im Sendeplan des linearen Fernsehens zurückzufahren." Die Netzpolitik-Expertin der Grünen, Tabea Rößner, sprach von einem "guten Tag für Demokratie und Rundfunkfreiheit". Altangebote gehörten auf den Prüfstand, neue Dienste für eine "veränderte Medienwelt" seien gefragt.

Die Vize-Frakionschefin der AfD, Beatrix Storch, empörte sich über einen "erneuten Tiefschlag aus Karlsruhe gegen die demokratische und föderale Verfasstheit dieses Landes". Der AfD-Parteivorsitzende Tino Chrupalla bezeichnete das Urteil als "zutiefst undemokratisch". Die Mitbestimmung der Länder bei der Festsetzung des Beitrages sei ausgehebelt worden. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sollte in ein Bezahlmodell umgewandelt werden: "Jeder Bürger soll frei entscheiden können, ob er das Programm ganz oder teilweise abonnieren will."

Die unterlassene Zustimmung des Landtags von Sachsen-Anhalt zu den Plänen der Länder werten die Richter als verfassungswidrig war. Die Gebühr steigt nun rückwirkend zum 20. Juli auf 18,36 Euro. Eine neue Stellungnahme der KEF sowie ein Änderungsstaatsvertrag als Grundlage für eine Beitragserhöhung sollen nun folgen. Dabei sind dem Urteil zufolge "Kompensationserfordernisse wegen unterbliebener Beitragsanpassung zu berücksichtigen".

Die KEF sieht sich mit ihrer Empfehlung bestätigt. Das Verfassungsgericht habe erneut klargestellt, "dass die Festsetzung des Rundfunkbeitrags frei von medienpolitischen Zwecksetzungen erfolgen muss". Insbesondere dürfe eine Entscheidung des Gesetzgebers über Zeitpunkt, Umfang oder Geltungsdauer der Beitragsfestsetzung nicht zu Zwecken der Programmlenkung oder der Medienpolitik benutzt werden. Ein Abweichen von der Bedarfsfeststellung der KEF sei nur in engen Grenzen durch alle Länder einvernehmlich möglich.

Die Medienanstalten konstatierten, der Beschluss schaffe Rechts- und Planungssicherheit. Auch die für die Sicherung von Meinungsvielfalt und -freiheit zuständigen Regulierungsbehörden der Länder erhielten damit "für ihre Aufgabenerfüllung eine verlässliche Finanzierung". Es gehe darum, "Informationsqualität gerade auch mit Blick auf Phänomene wie Desinformation und Fake News in der digitalen Medienwelt zu sichern".

(mho)