Fußball | FC Bayern München Strafverfahren gegen Vorstand des FC Bayern

Stand: 29.12.2021 14:27 Uhr

Wegen möglicher Mindestlohnvergehen am Campus des Fußball-Bundesligisten FC Bayern ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen aktuelle und ehemalige Vorstände des Klubs, darunter Oliver Kahn, Hasan Salihamidzic und Karl-Heinz Rummenigge.

Von Matthias Wolf

Unangenehme Post für den Vorstand der FC Bayern München AG kurz vor Weihnachten: Gegen zahlreiche Mitglieder der Bayern-Führung läuft ein Strafverfahren.

Ermittelt wird vom Hauptzollamt München im Auftrag der Staatsanwaltschaft München I. Es geht um den Verdacht des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt – um Verstöße gegen das Mindestlohngesetz am Nachwuchsleistungszentrum, dem FC Bayern Campus.

Betroffen sind aktuelle und Ex-Vorstandsmitglieder

Betroffen von dem Verfahren ist die gesamte Vorstandsriege mit Oliver Kahn (Vorstandschef), Hasan Salihamidzic (Vorstand Sport), dem stellvertretenden Vorstandschef Jan-Christian Dreesen sowie dem dienstältesten Vorstandsmitglied Andreas Jung.

Außerdem gelten der ehemalige Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge und Jörg Wacker als Beschuldigte. Das geht aus einem Schreiben des Hauptzollamtes hervor, das dem WDR-Hintergrundmagazin Sport inside vorliegt.

Von Wacker hatte sich der FC Bayern im Oktober getrennt. Rummenigge hatte seinen Posten im Sommer an Kahn abgegeben. Die Beschuldigten stehen im Verdacht, von möglichen unerlaubten Dumpinglöhnen am Campus gewusst zu haben.

Zeugenbefragungen im Januar

Ein Sprecher des Hauptzollamtes München erklärte am Montag (27.12.2021) gegenüber Sport inside, bei Aktiengesellschaften würden sich die Ermittlungen immer zuerst gegen den Vorstand richten, erst im Zuge des Verfahrens würde die Schuld einzelner Personen im Detail geklärt. Somit erklärt sich auch, warum etwa Campus-Leiter Jochen Sauer nicht aufgeführt wird.

Über das anberaumte Ermittlungsverfahren gegen den FC Bayern hatte Sport inside bereits am 23. November berichtet. Damals allerdings wollten die Staatsanwaltschaft München I "aus ermittlungstaktischen Gründen" und auch das Hauptzollamt München mit Verweis auf das Steuergeheimnis noch keine Auskünfte geben.

Am Montag teilte die Staatsanwaltschaft auf Nachfrage mit, erst müsse der Zoll seine Arbeit erledigen, bevor sie selbst Auskünfte erteilen würde. Diese Arbeit beginnt nun offensichtlich Ende Januar mit zahlreichen Zeugenbefragungen.

"Verdacht des Vorenthaltens, der Veruntreuung von Arbeitsentgelt"

Die in dem Schreiben erhobenen Vorwürfe gegen "verantwortliche Handelnden der FC Bayern München AG" umfassen den Verdacht "des Vorenthaltens und der Veruntreuung von Arbeitsentgelt" (das wäre eine Straftat laut § 266a StGB) sowie "nicht richtigem Führen von Stundenaufzeichnungen, Nichtgewährung des Mindestlohns" (eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 111 SGB IV bzw. § 21 Mindestlohngesetz).

Hier wird dem Bundesligisten vorgeworfen, womöglich unrichtige Meldungen zur Sozialversicherung gemacht zu haben. Der FC Bayern äußerte sich auf Anfrage zunächst nicht zu den Vorwürfen.

Berichterstattung über Mindestlohnvergehen war Auslöser

Auslöser für die Ermittlungen war die mehrfache Berichterstattung von Sport inside zu mutmaßlichen Mindestlohn-Vergehen in den Nachwuchsleistungszentren von Fußball-Bundesligisten. Nach dem FC Augsburg geriet auch schnell der FC Bayern ins Visier der Behörden.

Jugendtrainer beider Klubs hatten bei Sport inside detailliert über die Bezahlpraktiken, nicht bezahlte Mehrarbeit und angeblich auf Anweisung gefälschte Stundenzettel, gesprochen.

Jugendtrainer als Zeugen

In Augsburg war die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls am 3. August 2021 mit 61 Kräften in der Geschäftsstelle eingerückt und hatte zahlreiche Unterlagen beschlagnahmt. Hier sei man noch mit der Auswertung der Unterlagen beschäftigt und erwarte vor Frühjahr 2022 auch kein Ergebnis, teilte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Augsburg kürzlich auf WDR-Anfrage mit.

Beim FC Bayern werden nun zahlreiche Zeugen befragt. Darunter mehrere ehemalige Jugend-Trainer. Gegenüber Sport inside hatten einige von ihnen angegeben, über viele Jahre auf 450-Euro-Basis statt der erlaubten zehn Wochenstunden mindestens doppelt, teilweise drei bis vier Mal so lange gearbeitet zu haben.

Speziell, wenn bei Turnierreisen ins Ausland oder deutschlandweit nur die "Nettospielzeit" abgerechnet werden durfte – also nur wenige Stunden statt der tagelangen Betreuung der jungen Spieler. Hätten sie sich über die Bezahlung beschwert, habe es von den Vorgesetzten geheißen: "Es gibt Tausende da draußen, die würden es für 200 Euro machen."

Kahn will kooperieren

"Selbstverständlich kooperieren wir in dieser Angelegenheit vollumfänglich mit den Behörden. Es liegt in unserem Interesse, dass diese Vorgänge restlos aufgeklärt werden", sagte Kahn.

Der Verein versucht offenbar, den Schaden zu begrenzen – zu groß war der öffentliche Druck zuletzt angesichts der Bezahlpraxis, die auch der Bund der Fußball-Lehrer deutlich kritisiert hatte.

Da zuletzt mehrere Arbeitsgerichtsprozesse anhängig waren, die in Zusammenhang mit dem ebenfalls von Sport inside aufgedeckten Rassismus- und Mobbingskandal am Campus standen, gab sich der Rekordmeister sehr großzügig mit Abfindungsangeboten.

Man strebe außergerichtliche Einigungen an, um bei der Mindestlohn-Affäre nicht noch mehr Staub aufzuwirbeln, glaubt einer der Betroffenen. Auch hierzu äußerte sich der Verein nicht.

Die Anzahl der 450-Euro-Käfte am FC Bayern Campus soll zudem deutlich reduziert worden sein. Vor Gericht begründete der Verein das damit, dass es sich um Leistungssport im Nachwuchsbereich handle.

Deshalb sei dieser anspruchsvolle und vielfältige Trainerjob am Campus nicht in dem durch eine geringfügige Beschäftigung vorgegebenen Rahmen zu erfüllen. Eine Einsicht, die womöglich zu spät kommt, wie das Strafverfahren gegen prominente Köpfe des FC Bayern nun zeigt.