100 Tage Ampelregierung: Open-Source-Befürworter sind schwer enttäuscht

Die OSB Alliance und die Free Software Foundation Europe monieren, dass die Ampel Versprechen nicht umsetze und etwa bei der Cloud Abhängigkeiten zementiere.

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(Bild: Imilian/Shutterstock.com)

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Ein überwiegend negatives Fazit der ersten 100 Tage der neuen Bundesregierung im Ampel-Bündnis haben die Open Source Business Alliance (OSB) und die Free Software Foundation Europe (FSFE) gezogen. SPD, Grüne und FDP hätten im Koalitionsvertrag etwa eine Multi-Cloud-Strategie der öffentlichen Verwaltung auf Basis von offenen Standards in Aussicht gestellt, kritisieren die beiden Vereinigungen. Nach über drei Monaten sei aber weiter unklar, wie konkret mehr Interoperabilität zwischen Anwendungen und die Austauschbarkeit von Anbietern erreicht werden solle.

Aufgrund derzeit fehlender, verbindlicher und offener Schnittstellen (APIs) zum Zugriff auf Cloud-Services aus der Verwaltung beziehungsweise aus Fachverfahren heraus, sieht die als Bundesverband für digitale Souveränität agierende OSB Alliance vielmehr eine "erhebliche Gefahr", die Abhängigkeit von proprietären Diensten weiter zu zementieren. Deswegen hänge viel von der Geschwindigkeit beim Starten und Beauftragen von Alternativen sowie der Umsetzung von offenen Schnittstellen ab. Nötig sei dafür auch der Wille, Services aus den Rechnerwolken "tatsächlich auf den Lösungen mehrerer Anbieter aufzubauen". Nur so könnten echte Wahlmöglichkeiten entstehen.

Weil die Ampel in ihrer Koalitionsvereinbarung die Bedeutung von offenen Standards, offenen Schnittstellen sowie von Open Source für die digitale Souveränität ausdrücklich betont habe, ist es für die OSB Alliance so besonders enttäuschend, "dass bisher keine konkreten Pläne zum geplanten Open-Source-Hyperscaler vorliegen". Stattdessen hätten SAP, Microsoft und Arvato angekündigt, ein Konsortium für die Bundescloud bilden zu wollen. Dieses Signal deutet nicht auf "einen entschlossenen Aufbruch in Richtung digitaler Souveränität" hin. Diese Dissonanz müsse die Regierung rasch auflösen.

"Im Koalitionsvertrag finden sich vollmundige Aussagen zum Einsatz von freier Software", stimmt die FSFE in die Kritik ein. "Umgesetzt wurde bisher nichts. Im Gegenteil: Abhängigkeiten sollen weiter zementiert werden." Obwohl die Vorteile freier Software auf der Hand lägen und die Ampel diese erkannt habe, "ist die neue Regierung bisher nur durch eine Zementierung des Status quo und Untätigkeit aufgefallen".

Anstatt endlich eine "Freie-Software-Cloud" für Behörden zur Verfügung zu stellen, werde erneut auf "kostspielige proprietäre Anwendungen gesetzt", rügt Alexander Sander als Politikberater des Vereins. "Das ist für uns nicht nachvollziehbar. So wollen SAP und Arvato Produkte von Microsoft für die deutschen Verwaltungen anbieten, die neue Regierung zeigt sich hierfür offen." Die angekündigte Cloud-Strategie auf Basis "offener Schnittstellen sowie strenger Sicherheits- und Transparenzvorgaben" rücke damit immer weiter in die Ferne.

Auch sonst ist laut der FSFE bis auf "eine dünne Ankündigung" der grünen Wirtschaftsstaatssekretärin Franziska Brantner, von 2022 an Open-Source-Basistechnologien zu fördern, wenig geschehen. Unklar bleibe, welches Budget hierfür zur Verfügung stehe, wie diese Entwicklungen identifiziert und gefördert und wie Interessensvertreter vor allem aus der Zivilgesellschaft in den Prozess integriert werden. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die das Thema Digitalisierung der Verwaltung vorantreiben solle, halte sich "bisher ebenso wie das Kanzleramt bedeckt".

Die Ampel-Koalition müsse nun deutlich zeigen, dass sie es mit der digitalen Souveränität und Open Source ernst meine, fordert der Vorstandsvorsitzende der OSB Alliance, Peter Ganten. Verbindliche Planungen, eine vernünftige finanzielle Ausstattung und eine höhere Geschwindigkeit bei der Umsetzung seien auch bei dem bereits von der Vorgängerregierung geplanten Zentrum für Digitale Souveränität der öffentlichen Verwaltung (Zendis) nötig. Erfreulicher sei, dass es beim Aufbau einer Quellcode-Plattform für Open Source und beim Sovereign Tech Fund vorangehe. Ein echter Umbruch könne aber nur stattfinden, wenn der Staat vor allem seine Einkaufsstärke nutze und die IT-Ausgaben umfangreich neu ausrichte.

(bme)