Viel einfacher als im Darknet: Schwarzmarkthandel auf Telegram

Telegram hat als Heimat von Rechtsradikalen Schlagzeilen gemacht. Doch nicht nur politisch Extreme machen sich dort breit, sondern auch Schwarzmarkthändler.

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Schwarzmakthandel auf Telegram

(Bild: Alexander Yakimov/Shutterstock.com)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Merlin Schumacher
Inhaltsverzeichnis

Wer im Internet Schwarzmarktangebote für Betäubungsmittel, Waffen oder geklaute Accounts gesucht hat, musste bislang meist den Tor-Browser bemühen und ihn richtig zu nutzen wissen. Inzwischen lassen sich solche Angebote aber auch problemlos über den Messenger Telegram finden. Dafür reicht es, in Telegram die globale Suchfunktion zu bemühen und die gewünschte Ware einzutippen. Dort listet die App nicht nur einzelne Anbieter, sondern ganze Gruppen und Kanäle, in denen Händler illegale Waren aller Art präsentieren. Bei unseren Recherchen dauerte es nur Minuten, bis wir auf Anbieter stießen, die harte Drogen wie Heroin, Kokain oder Crystal Meth verkaufen. Auch mit anderen Suchbegriffen wurden wir fündig und bekamen scharfe Waffen und gefälschte Meisterbriefe präsentiert.

Die technische Hürde ist bei Telegram so niedrig, dass selbst wenig versierte Nutzer diese Gruppen finden und daran teilnehmen können. Für die Nutzung des Messengers reicht ein Smartphone, das zur Registrierung einmalig eine SMS empfangen kann. Ganz anders im „klassischen“ Darknet: Den Tor-Browser müsste man erst mal einrichten und das Konzept des Tor-Netzes verstehen. Während das Tor-Netz notorisch langsam ist und Dienste und Seiten oft ihre Adressen wechseln, passieren Kommunikation und Handel bei Telegram in Echtzeit und die Anbieter sind leicht auffindbar. Auch wirken die Kanäle durch die Rahmung des professionell gestalteten Messengers erheblich seriöser als die Tor-Plattformen, die oft an das Web der 90er erinnern. Und auf Telegram finden Sie die Angebote alle auf Deutsch.

In sogenannten Werbegruppen posten Personen Verweise auf weitere Gruppen oder Angebote. Das Ganze wirkt oft wie ein loser Verbund von unsortierten Posts. Die Gruppen werden aber von ihren Administratoren mit der Unterstützung ausgefeilter Bots verwaltet. Die Bots trennen Menschen von anderen Bots, begrüßen neue Mitglieder und teilen ihnen die Gruppenregeln mit. Solche Bots kommen aber ebenfalls in vollkommen legalen Chatgruppen zum Einsatz. Für legale Handelsplattformen typische Elemente wie regelmäßige Sonderangebote, Produktbewertungssysteme oder Bonusprogramme gibt es ebenfalls. In vielen der Gruppen ist zumindest in den Regeln der Handel mit Betäubungsmitteln, Medikamenten und Waffen untersagt, konsequent durchgesetzt wird das jedoch nicht.

Die Angebote in den Gruppen umfassen nicht nur Waffen und Drogen. Auch rezeptpflichtige Medikamente, anonyme SIM-Karten oder geklaute Accounts von Streamingdiensten bieten die Händler an. Auf einigen Kanälen werden Hollywood-Filme hochgeladen – gern im Wechsel mit Verschwörungspropaganda. Telegram erlaubt den Upload von maximal 2 GByte großen Dateien. Für einen abendfüllenden Spielfilm in Full HD ist das aber ausreichend. Anonyme SIM-Karten und Softwarekopien für verschiedene Betriebssysteme werden dort ebenfalls gehandelt.

Ein Händler listet sein Drogen-Angebot fein säuberlich auf. Wer größere Mengen einkauft, bekommt sogar Rabatt.

Klassische Produktfälschungen waren bislang eher auf Facebook und in Foren zu finden. Inzwischen haben sie sich auf Telegram ausgebreitet. Die Händler bieten Fälschungen von Luxusmarken wie etwa Dolce & Gabbana oder Gucci an. Auch Produktbewertungsbetrüger, die Shopbewertungen fälschen, finden hier sogenannte „Tester“. Diese Anbieter erstatten Kunden den Einkaufspreis bestimmter Produkte auf Plattformen wie Amazon, wenn sie positive Produktbewertungen verfassen. So sollen die oft sehr billigen Produkte aufgewertet werden. Auch Anbieter von illegalen IPTV- und Cardsharing-Diensten melden sich fast täglich in den Gruppen.

Ein Handel mit gefälschten Dokumenten findet ebenfalls statt. Bei einem der von uns im Rahmen der Recherchen gefundenen Anbieter bekommt man gefälschte Meldebescheinigungen, Meisterbriefe oder MPU-Gutachten für 70 bis 1250 Euro – zahlbar per Bitcoin. Die Dokumente sind laut Anbieter alle mit echten Unterschriften und Stempeln auf „original Papier“ versehen. Wie professionell der Dienst arbeitet, zeigt die Interaktion mit dem Händler. Die Kommunikation findet mittels eines ausgeklügelten Telegram-Bots statt, der Untermenüs für zahlreiche Dokumententypen hat. Hat man das Wunschprodukt angeklickt, bekommt man einen Link zu einem Bitcoin-Zahlungsdienstleister.

Über einen professionell wirkenden Telegram-Bot kauft man gefälschte Dokumente.

Der Bot schickt Nutzern, die keine Bitcoins haben, Links zu Diensten, die ihnen bei der Wandlung von Bargeld in Bitcoins helfen. Wer weitere Fragen hat, findet eine ausführliche FAQ-Sammlung, die über Lieferzeiten und notwendige Daten informiert. Unsicherheiten der Kunden werden mit gut gemachten Infotexten zerstreut, die behaupten, dass die Dokumente von „Partnern & Mitarbeiter der jeweiligen Institution“ erstellt wurden. Die gefälschten Dokumente kommen dann per Post oder als PDF mit Lieferzeiten zwischen drei Tagen und vier Wochen.

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Dass Telegram für solche Angebote wie für Extremisten so attraktiv ist, liegt mit daran, dass der Betreiber selbst nach Meldungen durch Nutzer nur wenig löscht. Die von uns vor acht Wochen gemeldeten Gruppen sind trotz offensichtlich illegalem Handel bis zum Redaktionsschluss nicht gelöscht worden.

Dazu kommt, dass Telegram anhaftet, dass es sicherer und anonymer sei als andere Messenger. Das stimmt aber nur bedingt. Während beim oft gescholtenen WhatsApp alle Kommunikation Ende-zu-Ende-verschlüsselt ist, muss man bei Telegram dafür extra einen privaten Chat starten. Ein normaler Chat ist lediglich transportverschlüsselt und läuft im Klartext über die Telegram-Server. Gruppenchats und Kanäle kann Telegram prinzipbedingt nicht Ende-zu-Ende-verschlüsseln. Darüber hinaus ist die Verschlüsselung namens MTProto vom Unternehmen selbst entwickelt und wird von einigen Kryptologen kritisiert.

Nicht nur Pistolen, sondern auch Maschinengewehre bietet der Schwarzmarkt auf Telegram.

Das wiegt einige Nutzer und Anbieter anscheinend in Sicherheit, sodass sie mit Klarnamen oder sichtbarer Telefonnummer in Erscheinung treten. Vielleicht rächt sich aber die niedrige Einstiegshürde und den Nutzern ist ihre leichte Identifizierbarkeit nicht bewusst.

Für die Polizei ist der Handel per Telegram schwierig zu ahnden, denn Telegram gibt keinerlei Daten zu Nutzern heraus. Wo die Server des Dienstes stehen, ist nicht bekannt. Das russische Unternehmen hat sich auch bereits gegen Bestrebungen der russischen Regierung gewehrt, die verschlüsselten Daten seiner Nutzer weiterzugeben. Inzwischen hat die Regierung ihr Bemühen eingestellt und ein Verbot des Messengers aufgehoben.

Bekannt ist, dass das BKA Telegram seit Längerem überwacht. Dafür kommt die Möglichkeit zum Tragen, mehrere Geräte mit einem Telegram-Account zu nutzen. Für die Anmeldung ist lediglich eine SMS erforderlich, die die Behörden problemlos abfangen können. Das klappt aber nur, wenn die Zwei-Faktor-Authentifizierung nicht aktiv ist.

Gegenüber c’t erklärte das BKA, dass sich die Angebote im Darknet im Lauf der Jahre professionalisiert haben, aber auch bei Telegram-Gruppen auffällig ist, dass „sich immer mehr administrative Strukturen wie zum Beispiel Moderatoren, die die Überprüfung der Händler vornehmen, bilden.“

Auf Anfrage von c’t teilte das Bayerische Landeskriminalamt mit, es sei bekannt, „dass die Chat-Plattform Telegram vereinzelt für strafrechtlich relevante Sachverhalte genutzt wird“. Zu konkreten aktuellen Vorgängen auf der Plattform lägen aber keine Erkenntnisse vor. Weiterhin geht das Bayerische LKA davon aus, „dass potenzielle inkriminierte Geschäfte bevorzugt über das Darknet beziehungsweise TOR-Netzwerk abgewickelt werden, da dort ein wesentlich höherer technischer Aufwand zur Verschleierung der Identität von Käufern und Verkäufern betrieben wird“.

Laut Bundesjustizministerium greift bei Telegram das Netzwerkdurchsetzungsetz (NetzDG) nicht, das Anbieter verpflichtet, solche Fälle zu melden. „Bei der Schaffung des NetzDG ist der Fokus bewusst auf die für den öffentlichen Meinungsaustausch ganz besonders relevanten großen sozialen Netzwerke gelegt worden“, so eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums.

Der Handel mit illegalen Waren ist kein neues Problem. Im Internet bedurfte es aber bisher eines Minimums an technischem Sachverstand, um an solche Angebote zu kommen. Die Auffindbarkeit über Telegram senkt die Hürde massiv. Selbst unbedarfte Nutzer finden Drogen, Waffen und Fälschungen in wenigen Sekunden.

Dieser Artikel stammt aus c't 18/2020.

(mls)