Und der Volksstaat, der braucht Kinder. Kinder kriegen, das ist Pflicht. Und der Staat, der ist ein Vater, doch zu essen gibt er nicht.
Und der Volksstaat, der braucht Nachwuchs, registriert vom Standesamt, für Fabriken und Kasernen. Doch die Unzucht bleibt verdammt.
Und verdammt ist, wer geboren und zur Welt kommt im Abort. Denn für einen zarten Säugling ist das kaum der rechte Ort.
Und die Leute lesen oftmals in der Zeitung diesen Fall: Dass ein Mädchen hat entbunden, in der Grube hinter’m Stall.
Und die Mutter bleibt verschwunden, und das Kind ertrank im Kot, und sie ließ den Wurm im Stiche, weil sie selber war in Not.
Und der Säugling ward gefunden mit ’nem Knutschfleck am Popo. Und die braven Leute meinen: Solche Mütter, die sind roh.
Und vielleicht war es nur Liebe, die das Kind dem Tode ließ? Mutterangst vor diesem Leben, die das Kind zur Tiefe stieß?
Doch die Bürger denken anders, rufen nach der Polizei, als ob hier mit Staatsanwälten etwas noch zu machen sei.
Gebt den Menschen nur zu essen, bisschen Liebe und ein Bett, und kein Weib wird mehr gebären ihre Leibesfrucht im Klosett.
Ja, der Volksstaat, der braucht Kinder, Kinder kriegen, das ist Pflicht. Und der Staat, der ist ein Vater, doch zu essen gibt er nicht.
Quelle: ‚Die Linkskurve’ vom Oktober 1929
(Als Texter war dort Franz Hackel angegeben. Als musikalische Vorlage diente Kurt Weills Melodie zu Bert Brechts Macki Messer aus der Dreigroschenoper.)
Danke Gaby! |